Engelhof

Nadelberg 4

Der Engelhof ist wiederum beispielhaft für die Familiensitze der frühen adligen und bürgerlichen Schichten. Sein grosser Eckbau bestand schon vor dem Erdbeben von 1356. Adlige und Achtburger gehörten zu seinen Besitzern. Die ganze Anlage mit Hof und Flügelbauten kam in den Besitz des Junkers und Ratsherrn Mathias Eberler (um 1440-1502), eines konvertierten Juden, der sie durch den Baumeister Ruman Faesch modernisieren liess. Das weitgehend original erhaltene sogenannte Condézimmer geht wohl ebenfalls auf ihn zurück. Es handelt sich um eine aufwändig gestaltete spätgotische Täferstube, deren Wände und Decke sich durch eine Fülle an abwechslungsreicher Masswerkornamentik auszeichnen. Der Wandschrank in der Nordwand scheint gar noch älter zu sein, weil er mit dem Schrank des Münsterschatzes aus der Zeit um 1450 stilistisch eng verwandt ist – also ein schönes Beispiel von frühem Recycling. Vis-à-vis davon befindet sich eine jüngere mit einer originellen perspektivischen Intarsie geschmückte Türe von 1570-80, die etwa gleichzeitig wie der grüne Kachelofen das Zimmer bereicherte.

Die prächtige Ausstattung verweist auf höchste Ansprüche an Repräsentation. Belegt ist, dass dort nach dem Schwabenkrieg unter der Vermittlung des Mailänder Gesandten Galeazzo Visconti 1499 der «Basler Frieden» zwischen den Gesandten Kaiser Maximilians und den Eidgenossen unterzeichnet wurde. Kurz danach, 1501, schloss sich das bis dahin neutrale Basel dem eidgenössischen Bund an.

1568 erwarben Marco Perez (1527-1572) und seine Gemahlin Ursula Lopez den Engelhof. Sie waren spanisch-jüdische Glaubensflüchtlinge, die den calvinistischen Glauben angenommen hatten. Er, ein Grosshändler und Bankier - in Antwerpen Finanzminister Wilhelms von Oraniens, bis das Paar vor der Inquisition fliehen musste - nahm sich grosszügig der zahlreichen Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, Italien und Flandern an, die in Basel zusammenströmten. Als hochgebildeter Wohltäter gewann er die Freundschaft gebildeter und angesehener Kreise, wie beispielsweise um den Gelehrten Theodor Zwinger (1533-1588). Marco Perez gelang es, die Erlaubnis zur Gründung einer französischen Kultgemeinde zu erlangen, die auch nach seinem Tod 1572 eng mit dem Engelhof verbunden blieb und in kurzer Zeit stark anwuchs.

Auf Marco Perez geht die Bereicherung des Condézimmers mit dem schönen, 1570 datierten Turmofen zurück – er ist der älteste vollständig erhaltene dieser Gattung in Basel. Auf dem Grundriss eines Fünfecks ist er in zwei Etagen angelegt, die sich aus rechteckigen mit stilisierten Ranken geschmückten Platten aufbauen. Sie werden begrenzt durch ein schwungvoll ausladendes Gebälk mit dem Datum 1570. Darüber zieht sich als Abschluss ein à jour gearbeitetes Relief, auf dem sich zwischen zwei Ecktürmen vergnügte Putten tummeln. Das Zentrum für solche Öfen befand sich in Winterthur. Eng verwandt ist beispielsweise der Ofen von 1574 im Schloss Mörsburg bei Winterthur, hergestellt von Ludwig Pfau (um 1547-1597).
Darüber, ob die Wappenscheibe der Condé von 1575, die sich ebenfalls dort befindet, davon zeuge, dass sich der Prince de Condé, Henri I. de Bourbon (1552-1588), im Engelhof aufgehalten habe, oder ob sie als Erinnerung an den Aufenthalt dieses Prinzen in Basel entstanden sei, gehen die Meinungen auseinander. Das sogenannte Condé-Zimmer trägt jedenfalls zu Unrecht seinen Namen, denn dessen Ausstattung wurde - wie erwähnt - bereits um 1500 geschaffen.

Der neue Besitzer des Engelhofes, Bernhard Burckhardt-Krug (1545-1608), ein Tuchherr, Seidenhändler und Zunftmeister aus der Basler Crème de la Crème, war ebenfalls den Refugianten eng verbunden, eine Tradition, die die Erben fortsetzten.

Der Engelhof wechselte in die Hände weiterer angesehener Basler Familien, von denen etliche Abkömmlinge von Refugianten waren, viele darunter Händler und Seidenbandfabrikanten. Bis zu seinem Tod 1790 gehörte das Anwesen fast ein halbes Jahrhundert dem berühmten Mathematiker Johann II. Bernoulli-König (1710-1790). Die wissenschaftliche Strahlkraft der Mitglieder der Familie Bernoulli zog Schüler und Gelehrte aus allen Gegenden Europas nach Basel.

Unter dem Besitzer Emanuel La Roche-Merian (1771-1849) beherbergte das Schöne Haus nebenan die Büros und Lagerräume von dessen Tuch- und Engros-Firma. Sein Sohn Emanuel La Roche-Vez (1801-1875), der den Engelhof übernahm, vergrösserte die bereits stattliche Firma mit einem Holzgrosshandel. Den Engelhof verkaufte er im Jahr seines Todes an die Initianten der Engelhofwerke, einem karitativen Unternehmen, das die Anlage zur Herberge für wandernde Handwerksburschen öffnete. Das Condé-Zimmer diente der Engelhof-Kommission als Treffpunkt für ihre Sitzungen.
1984 gelangte der Engelhof in den Besitz der Stadt und wurde1986 – 1990 durch das Architekturbüro Silvia Gmür umgebaut. Er beherbergt nun die Bibliothek, Veranstaltungsräume und Büros des germanistischen Seminars der Universität. Dabei wurde zwar viel von der historischen Substanz erhalten, aber gleichwohl weitgehend überlagert durch die für den Studienbetrieb notwendige Funktionalität.